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[personal profile] katha_strophen
Titel: Die wilde Jagd
Rating: P 16 (nur um sicher zu gehen)
Charaktere: Franz Leitmayr, Ivo Batic
Inhalt: Franz leidet unter den Geschehnissen im Olympiaturm.
Wordcount: ca. 1700
Genre: Drama
Warning: im optionalen zweiten Teil character death (so leid es mir tut)

AN: Die Story hat zwei Enden. Einmal sehr versönlich und einmal weit weniger versönlich. Ich makiere die Stellen im Text, damit jeder 'sein' Ende findet. Ich hoffe ich mach's nicht zu kompliziert. Außerdem sollte man Außer Gefecht
gesehen haben.


„Hast du auch schon die Einladung zu der Silvesterfeier gekriegt?“  Ivo tritt in das Büro, lässt Franz von seinen Akten aufblicken.

„Kann schon sein. Ja.“ Er beugt sich zu der Briefablage hinüber, durchblättert die Post und zieht eine Pappkarte hinaus.

„Olympiaturm! Sag mal, spinnen die jetzt eigentlich komplett?“, entfährt es Franz, als er den Text überflogen hat. Und sofort sind die Erlebnisse wieder präsent. Die unerträglichen Schmerzen, die quälenden Stunden im Fahrstuhl. Peschen. Der schmale Grat zwischen Leben und Tod. Zwischen Realität und Halluzination.

Franz spürt Panik in sich aufsteigen. Seine ganze Wahrnehmung verengt sich. Es schnürt ihm fast den Atem ab. Plötzlich sind da Ivos Hände an seinen Schultern. Versuchen ihn in die Realität ihres Büros zurückzuholen.  Er ist nicht mehr im Fahrstuhl, nicht mehr in Peschens Gewalt.

„Franz! Hey!“ Ivos Stimme, das Rütteln an seinen Schultern, die warmen Hände lassen ihn in die Wirklichkeit zurückkehren. Trotzdem bleibt ihm die Angst im Nacken sitzen. Seine Hände zittern immer noch, als er das Glas Wasser nimmt, das ihm Ivo reicht.

„D- Danke…“ Seine Stimme ist schwach, er hat sie nicht unter Kontrolle.

Verdammt, wie kann ihn ein einziges Wort so aus der Fassung bringen? Dabei ging er doch regelmäßig zu seiner Therapeutin, fuhr sogar wieder Fahrstuhl ohne in Panik auszubrechen. Und jetzt plötzlich dieser Einbruch. Diese Schwäche.

Ivos Blick ist misstrauisch. Franz erkennt die Zweifel darin, an seiner Gesundheit, an seiner Verfassung. Und diese Hilflosigkeit der Situation gegenüber. Dass er nichts für ihn tun kann. Er weiß, dass Ivo es nie zugeben würde, aber es belastet sie beide.

„Du musst da nicht hin, wenn du nicht… kannst. Willst. Wie auch immer.“, versucht Ivo die Stille zu durchbrechen.

„Doch…“ Seine Antwort klingt nicht sehr überzeugend. Doch, er will zu dieser Feier. Er will nicht mehr schwach sein. Nicht noch länger

Die Fahrt im Fahrstuhl hatte ihn geschafft. Trotz Atemübungen, die er unter anderen Umständen albern finden würde und Ivos Hand auf seinem Arm. Aber die Enge, eingepfercht zwischen lärmenden Kollegen, ihren Winterjacken, die ihn wie Watte umgaben, ihn an die Wahrnehmung im Delirium erinnerten und das Rucken des Fahrstuhls haben ihn zusammenzucken lassen, ihm kalten Schweiß auf die Stirn getrieben.

Das Essen, die Reden, die Prahlereien über die Weihnachtsgeschenke hat er über sich ergehen lassen. War der Versuchung zu flüchten wiederstanden. Hat Ivos besorgtem Blick standgehalten. 

Jetzt, wo der offizielle Teil des Abends beendet ist und sie auf den Jahreswechsel warten, hält er es nicht mehr in der stickigen Hitze aus. Er braucht frische Luft. Ein paar Minuten für sich. Verlässt das Restaurant, lässt das Stimmengewirr hinter sich, die Hektik.

Schneidende Kälte empfängt ihn, als er auf die Aussichtsplattform hinaus tritt. Sorgt dafür, dass er den Kragen seines Mantels hoch schlägt und seine Hände noch tiefer in den Taschen vergräbt. Franz tritt an die Brüstung, lässt seinen Blick über die Stadt schweifen. Sie ist ein einziges Lichtermeer. Vereinzelt werden schon jetzt Raketen gezündet. Sie rauschen in die Höhe, geben ihre Schönheit erst in unerreichbarer Ferne preis.

Er betrachtet das stumme Schauspiel, nur der Wind pfeift unerlässlich, wirbelt Schneeflocken durch die Luft. Genießt die Stille um sich herum. Keine Tischreden mehr. Kein gezwungener Smalltalk. Die Stille machte sich auch in seinem Inneren breit. Keine Gedanken an Peschen. An seine Schwäche. Kein Fluchtreflex mehr.

„Willst du nicht reinkommen? Es ist gleich Mitternacht. Dann gibt’s Sekt.“

Franz zuckt zusammen, als er plötzlich Ivos Stimme neben sich vernimmt. Er hatte sein Kommen gar nicht bemerkt.

„Ich bleib noch hier… Ich brauche frische Luft.“, antwortet Franz und dreht sich zu Ivo. „Ich musste mal dem ganzen Trubel da drinnen entkommen.“

Ivo nickt, tritt neben ihn. Schweigend stehen sie nebeneinander, bis Franz die Stille durchbricht.

„Ich halt das nicht mehr aus! Verdammt, Ivo! Diese ständige Angst! Andauernd! Ich dreh noch durch! Ich muss mich zwingen in so einen verdammten Aufzug zu steigen, ständig seh‘ ich Peschen, ganz plötzlich, auf der Straße. Ich krieg Panik, wenn ich Medikamente schlucken soll. Ich kann nicht mehr schlafen, weil ich eine beschissene Angst habe nicht mehr aufzuwachen! Ich bin nicht stark! Dieser Typ hat mich fertig gemacht! Der hat erreicht was er wollte! Ich hätte doch sterben sollen! Da hat nicht mehr viel gefehlt! Ein paar Minuten vielleicht!“

Achtung: ab hier das happy end

Er hat nicht bemerkt, dass ihm Tränen über die Wangen liefen, dass er immer lauter geworden war, vor Verzweiflung zitterte.

Plötzlich fühlt er einen brennenden Schmerz an seiner Wange. Verwirrt sieht er Ivo an, nur langsam realisiert er, dass Ivo ihm gerade eine Ohrfeige gegeben haben muss.

„Was soll das?“, fragt er empört, während er sich das Gesicht reibt.

„Die war für dein dämliches Gerede! Und wenn du nicht still bist und mir zuhörst, dann kriegst du noch eine!“

Ivos Drohung und der Schmerz zeigen ihre Wirkung, auch wenn es ihn kränkt.

„So Franz, du hörst mir jetzt zu, ja? Du hörst gefälligst auf so einen Unsinn zu erzählen. Peschen hat uns alle fertig gemacht. Mich genauso wie dich. Ich habe auch Angst um dich, ich habe Angst, dass du mir völlig entgleitest, dass wir uns fremd werden. Weißt du, Peschen hat nicht gewonnen. Du, wir beide, wir haben gewonnen. Weil wir zusammen halten, weil wir nicht alleine sind.“

Ivos Worte treffen ihn, schuldbewusst lässt er den Kopf hängen.

„Ich bin so ein Esel. Das wollte der doch, dass ich durchdrehe. Irgendeinen Scheiß mache. Verdammt, Ivo!“

Wieder steigen ihm Tränen in die Augen, doch dieses Mal tritt Ivo auf ihn zu, legt seine Hände auf Franz‘ Arme.

„Ist schon okay. Die ganze Geschichte wird uns noch lange in den Knochen stecken… Aber du darfst nicht durchdrehen. Versprich mir das, ja? Ich könnte nicht mehr leben, wenn du dir was antust. Ich will dich beschützen Franz. Dein Leben- Du bist doch das wichtigste.“

Franz hört das Zittern in Ivos Stimme, diese ehrliche Besorgnis. Er nickt, aber trotzdem ist noch dieser nagende Zweifel in ihm.

„Aber, ich bin nicht stark. Ich… Ich bin doch nur eine Last für dich. Du hast doch auch noch ein Leben. Du kannst dich nicht für mich aufgeben.“

„Was habe ich über diesen Unsinn gesagt, den du erzählst?“ Der Sarkasmus in seiner Stimme ist nicht echt, das merken sie beide. „Ja, ich habe noch mein Leben. Aber du gehörst zu meinem Leben. Du bist mein Leben, Franz.“

Die letzten Worte sind fast geflüstert. Sie sind zu mächtig, zu wahr, um sie laut auszusprechen.

Franz sieht Ivo verblüfft an. Findet keine Worte, die er erwidern könnte. Stattdessen zieht er Ivo zu sich, schlingt seine Arme um ihn. Lehnt sich gegen ihn.

Stirn an Stirn stehen sie da, kalte Nasen streifen sich, weiße Atemwolken hüllen sie wie Nebel ein. Franz schließt die Augen, genießt dieses überwältigende Gefühl.

„Du kannst schwach sein. Jeder hat das Recht darauf. Du machst dich kaputt, wenn du immer stark sein willst. Ich beschütze dich, wenn du- wenn du das willst.“

Ivos Worte sind nicht viel mehr als ein Wispern, aber jedes einzelne brennt sich unauslöschlich in Franz‘ Gedächtnis ein.

„J- Ja.“ Franz nickt, beißt sich auf die Lippen, um nicht laut zu Schluchzen. Er sucht Ivos Blick, versucht sich an einem Lächeln, als er die Zuneigung darin sieht.

Kalte Lippen streifen seine Haut, seine Wangen, finden seine Lippen. Ihr Kuss ist vorsichtig, ein zärtliches Herantasten an die ungewohnte Nähe. Franz hält den Blickkontakt mit Ivo, schließt nicht die Augen, will jede Regung in dessen Gesicht sehen. Sich für immer einprägen.

Es kam ihm fast so vor, als würde das Feuerwerk über der Stadt, das Glockengeläut nur für sie stattfinden.

An Silvester, so sagt man, sollen böse Geister ausgetrieben werden. Durch einen lauten Knall, damit sie ins Geisterreich hinübergehen.

Achtung: ab hier das sad end!



Er hat nicht bemerkt, dass er immer lauter geworden war, vor Verzweiflung zitterte.

„Ich könnte meinem Leben auch jetzt ein Ende setzen. Springe. Mich erschießen, das hat er damals schon provoziert. Aber da war ich auch schwach - Hab es nicht geschafft! Da habe ich noch an ein Leben geglaubt!“

Er lacht bitter auf, versucht an sein Holster zu kommen, dass er trägt obwohl er nicht im Dienst ist. Er schüttelt Ivos Griff ab, achtet nicht auf dessen rufen. Sieht nur die Bewegungen seiner Lippen.

„Da habe ich noch geglaubt, dass ich es schaffen kann normal zu leben! Als du mich gerettet hast! Aber jetzt? Wir sind hilflos! Du schleichst um mich herum, weißt nicht wie du mit mir umgehen sollst! Und ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, versuche dir nicht zur Last zu fallen! Aber du musst trotzdem unter mir leiden! Wenn ich zusammenbreche, anfange zu zittern! Du Erklärungen finden musst, für alles! Warum ich die Treppe nehme oder schon wieder krank bin!“

Er hat seine Waffe aus dem Holster gezogen, zitternd hebt er sie an seine Schläfe, sie rutscht ihm fast aus den vor Kälte tauben Händen. Aber auch das spürt er nicht mehr. Auch nicht, dass Ivo versucht ihm die Waffe zu entwinden. Nein, er würde ihn nicht von seinem Vorhaben abbringen!

„Verdammt Ivo! Das ist besser für uns beide! Ich bin nicht mehr der, der ich mal war! Du erkennst mich doch jetzt schon kaum mehr! Ich kann mich nicht mal mehr in deiner Nähe entspannen! Und egal wie sehr ich es versuche und mir wünsche - ich kann dir nicht mehr vertrauen! Du gibst dich für mich auf! Du bist der Letzte, der zu mir hält! Aber das musst du nicht! Du könntest es so einfach haben! Du müsstest nicht mehr so tun, als ob ich dir etwas bedeuten würde! Du könntest wieder glücklich werden! Ohne mich!“

Er sieht Ivos Hand auf sich zu kommen, spürt den Aufprall seiner Handfläche an seiner Wange, aber keinen Schmerz. Er hört nicht auf die gebrüllten Worte. Schenkt ihnen keine Beachtung.

„Oder willst du das nicht? Willst du mit mir kommen? Ich könnte dich von deinem Leid erlösen! Wir könnten von vorne anfangen! Ganz ohne Angst! Was sagst du dazu? Das klingt doch nach einem guten Plan! Komm schon Ivo! Wir könnten ohne Last leben!“

Franz richtet die Pistole auf Ivo, blickt ihm starr in die Augen. Ist unfähig den Ausdruck in ihnen zu lesen. Sein Zeigefinger liegt am Abzug, es ist keine große Bewegung. Blitzschnell, jahrelang trainiert. Den Rückschlag merkt er kaum, so schnell hat er schon den Schuss gegen sich selbst abgefeuert.

An Silvester, so sagt man, sollen böse Geister ausgetrieben werden. Durch einen lauten Knall, damit sie ins Geisterreich hinübergehen. 

Date: 2012-12-14 09:48 am (UTC)
From: [identity profile] cricri-72.livejournal.com
Ich hab' das traurige Ende überflogen, aber natürlich halte ich mich an das glückliche ♥

Verlinkung und Kommentar folgen später ... jetzt muß ich arbeiten ;)

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